Am 10. April um 11:25 Uhr (MESZ) bildet unsere Veröffentlichung „Urlaubs(t)räume des Sozialismus. Zur Geschichte der Ferienarchitektur in der DDR“ den Auftakt der dreiteiligen ARTE-Serie „Urlaubsträume in Beton„.
In der DDR wurde gleich mit ihrer Gründung der Bau von Ferienkomplexen zur Pflicht, schrieb doch die Verfassung das Recht jeden Bürgers auf Urlaub fest. Das ehemals der Oberschicht vorbehaltene Privileg des Reisens durfte zu einem Volkssport werden. Dabei entstanden riesigen Freizeitmaschinerien, die unter Verwendung moderner Baumaterialien eigene Architekturtypen generierten. So mischen sich in die Urlaubsarchitektur der ersten Jahrzehnte regional-nationale Traditionen mit sowjetisch-sozialistischem Klassizismus und der Klassischen Moderne. Mit der Ausweitung der Bauprogramme in den 60er Jahren erfolgte die Typisierung, die mit Modulen des allgemeinen Wohnungsbaus operierte. Dieser Linie folgend entstanden auf Rügen Urlaubssiedlungen, Visionen vom „sozialistischen Seebad“, die mit den Ferienzentren der großen europäischen Strände mithalten sollten. Für den Gebirgs- und Wintersporturlaub verwandelte man den thüringischen Gebirgsort Oberhof in ein neues „sozialistisches St. Moritz“. Hier entstanden repräsentative Interhotels und Ferienheime mit ehrgeiziger Architektur: So wurde die Bergtopographie durch abgetreppte und abgeschrägte Baukörper verlängert, die Ästhetik der Landschaft mit Bergspitzenmotive und Dreiecksmotive weitergeschrieben, unter Verwendung von vorwiegend Beton, aber auch regionalen Materialien wie Naturstein, Schiefer und Holz. Die Dokumentation wirft einen prüfenden Blick zurück auf die architekturästhetische und soziologische „Haltbarkeit“ des damals Gebauten.
In den weiteren Folgen geht es zu den europäischen Nachbarn, insbesondere nach Bulgarien und Frankreich: „Trente Glorieuses“, die „Glorreichen Dreißig“, nennen die Franzosen, die Phase zwischen 1945 und 1973, in der die europäische Nachkriegswirtschaft boomte, die Kaufkraft der Bürger wuchs, in der Fort- schrittsenthusiasmus und Technikgläubigkeit (noch) die treibenden Kräfte sind. Es ist die Zeit, in der gigantische Bettenburgen an Strände und in Berglandschaften gesetzt wurden, um das „Tourismus-für alle“- Versprechen wahr zu machen. Das ehemals der Oberschicht vorbehaltene Privileg des Reisens wurde zu einem Volkssport. Es entstanden spezielle Regenerationsorte, auch Dörfer, die sich emotional und visuell in die kollektiven Kindheitserinnerungen von Generationen eingelagert haben wie die wechselnden Sommerhits dieser Zeit. Diese riesigen Freizeitmaschinerien, die in Ost wie in West entstanden, generierten eigene Architekturtypen, die mit modernen Baumaterialien unterschiedliche Stile der Architekturgeschichte aufgriffen und daraus eigene Markenzeichen machten. Heute erscheinen diese inzwischen historisch gewordenen Urlaubskomplexe teilweise wie überdimensionale Findlinge in ansonsten weitgehend geschützten See- und Gebirgslandschaften.
Termine: 10. / 17. / 24. April 2022
Produktion: Zauberbergfilm, Berlin
Regie: Ulf Kalkreuth